15 Sep

Abgefahren

Wenn Schule und Hausaufgaben endlich erledigt sind, gibt es für David und Casper nur noch ein Tagesziel – den Pappelplatz in Berlin Mitte. Dort treffen sich die beiden Siebtklässler mit ihren Freunden zum Abhängen und Skateboard fahren. Am liebsten würden sie auf ihrem Lieblingsplatz gleich übernachten – wenn man sie nur ließe.

Von Antonia zu Knyphausen

 

Casper und David (v.l.) auf ihrem Lieblingsplatz - Foto: Antonia zu Knyphausen

Ausgerüstet mit tief hängenden Jeans, weitem T-Shirt und lässigen Turnschuhen nehmen die Jungs langsam an Fahrt auf. Ein Fuß steht auf dem Board, der andere auf dem Asphalt zum Anschub bereit. Ein,- zweimal kräftig abgestoßen und schon rollen David und Caspar auf ihren Brettern über den Platz, springen auf kleine Podeste oder rutschen über schmale Stahlrohrbänke. Ist ein Sprung geglückt, versichern sie sich mit einem flüchtigen Blick über die Schulter, ob es auch jemand gesehen hat. Und fällt doch mal einer hin, steht er ohne das Gesicht zu verziehen wieder auf. David und Casper haben mittlerweile Übung darin, schließlich sind die beiden seit ein paar Monaten echte Skater und allerbeste Freunde.

Der Pappelplatz an der Invalidenstraße - Foto: Antonia zu Knyphausen

Mit 13 Jahren gehören die beiden Schüler zu den jüngeren Skatern auf dem Platz an der Invalidenstraße. Wenn sie nicht selbst gerade einen neuen Trick ausprobieren, dann beobachten sie die älteren Jungs, die schon seit Jahren auf dem Brett stehen und auf dem Platz ihre Runden drehen. Die Stadt hat in dem abgesperrten Straßenteil vor Jahren ein paar Podeste, Rampen und Stahlgeländer aufgebaut. Mittlerweile kommen täglich dutzende Jugendliche, um gemeinsam durch den Nachmittag zu gleiten. Nicht jeder von ihnen hat ein eigenes Skateboard dabei. Manche kommen auch nur so, zum gucken. Ab und an ist unter den Skatern auch mal ein Mädchen, meistens sind die Jungs aber unter sich. Geredet wird dementsprechend wenig, auch ernste Streitigkeiten haben David und Casper auf dem Platz noch nicht erlebt. Lautes Knallen, Klappern und Krachen ist somit fast das Einzige, was von den Jungs und ihren Brettern in die Nachbarschaft dringt. Doch auch hier gibt es Regeln, die es einzuhalten gilt: Ab acht Uhr abends ist Skateboard fahren verboten, sonst kommt die Polizei.

Für David und Casper ist schon vorher Schluss. Um sieben müssen die beiden nach Hause kommen. Ihr eigentliches Zuhause, da sind sich die beiden Freunde sicher, ist aber seit diesem Sommer der Pappelplatz. „Wenn ich dürfte, dann würde ich hier am liebsten sogar übernachten“ sagt David.

15 Sep

Lernen im Luisenbad

In den Berliner Bibliotheken kann man nicht nur Bücher ausleihen. Jeden Tag bieten Ehrenamtliche auch eine kostenlose Hausaufgabenhilfe für Jugendliche an. Die 18-jährige Sarah nutzt diese Möglichkeit regelmäßig. Sie hofft, dadurch ihre Abiturnote noch zu verbessern.

Von Juliane Funkel

 

Sarah in der Bibliothek

Zweimal pro Woche kommt Sarah zur Nachhilfe in die Bibliothek. - Foto: J. Funkel

Bücher, Zettel und Stifte liegen wild durcheinander. Hier wird eindeutig gearbeitet: Aufmerksam folgen Sarah, Aishe und die anderen den Erklärungen ihres Nachhilfelehrers. Um die kleine Gruppe herum stehen dichtgedrängt die Regale der Bibliothek am Luisenbad. Es ist ruhig in dem großen Raum, nur ab und zu hört man Stimmen und Schritte der anderen Besucher.

Zweimal pro Woche kommt Sarah nach der Schule hierher, um sich auf die Abiturprüfungen vorzubereiten. Die 18-Jährige hat Biologie als Leistungskurs gewählt. Nach ihrem Abschluss möchte sie Logopädin werden, um Menschen mit Sprachfehlern zu helfen.

 

Nachhilfe in der Bibliothek

Jeden Tag bieten die Berliner Bibliotheken kostenlose Nachhilfe an. - Foto: J. Funkel

Wie in vielen anderen Büchereien Berlins werden Schüler hier im Wedding kostenlos bei den Hausaufgaben unterstützt. Jeden Nachmittag geben Ehrenamtliche drei Stunden lang Nachhilfe in Mathematik, Englisch und anderen Fächern.

Sarah und ihre Mitschülerinnen freuen sich über dieses Angebot. Außerdem finden sie in der Bibliothek auch gleich die passenden Bücher zu allen Themen. Nur dass manche Besucher sich laut unterhalten, keine Rücksicht nehmen, stört Sarah hier.

Romane leiht sich die Schülerin selten aus. Ihre Freizeit verbringt sie lieber draußen, in Bewegung. Crosslauf, eine Sportart bei der man durch offenes Gelände rennt, ist eines ihrer liebsten Hobbys. Dafür braucht sie keine Nachhilfe: Bei Wettkämpfen ist sie immer vorne mit dabei.

 

 

15 Sep

Sitzenbleiben

Nichts gegen eine geregelte Vorstadtkindheit. Aber wo kann man hin, wenn das Kinderzimmer zu klein wird und vor lauter Vorgärten, Alleen und freundlichen Nachbarn kein Raum zum Atmen bleibt? In Eichwalde bietet der Bahnhof Asyl. Die Eichwalder S-Bahn-Bank: Anlaufstelle für Jugendliche von Zeuthen bis Königs Wusterhausen.

Von Nadia Pantel und Claudia Maier

 

Marc-Gordon, Maximilian, Louisa und Tony (v.l.n.r.) auf dem S-Bahnhof Eichwalde - Foto: Claudia Maier

Im beschaulichen Eichwalde kurz vor Königs Wusterhausen hält alle 20 Minuten die S 46.  Raus aus dem Vorgarten, rein in die Stadt. Oder die Bahn vorbeifahren lassen und einfach in Eichwalde bleiben. Am S-Bahnhof steht eine Bank, wie gemacht zum ewig jung sein: egal wie groß man ist, mit den Füßen kommt man nicht auf den Boden. Wie ein großer Gruppenbarhocker. Maximilian, Marc-Gordon, Louisa und Tony kommen hier jeden Nachmittag nach der Schule her. Während sie dort sitzen, sich unterhalten und Witze reißen, kommen immer wieder neue Bekannte vorbei. Küsschen links, Küsschen rechts – „wir sind ein großer Freundeskreis“ sagt Louisa. Aber eigentlich, korrigiert Tony, gibt’s hier „nur Rentner“.

 

Maximilian und Marc-Gordon - Foto: Claudia Maier

Cool abhängen am Bahnhof als Lebensinhalt? Nein. Eher gucken, was die anderen so machen. So richtig im real life. Und dann an andere Orte gehen. Und am Wochenende? Klar, sagt Maximilian, da fahren wir nach Berlin. Blöd nur, dass Louisa zugehört hat: „Hä? Was erzählst du denn? Wir sind doch immer hier.“

 

 

 

 Zum Hören

 

 

14 Sep

Entspannen in der Bannmeile

Jeden Tag treffen sich Jugendliche aus Deutschland und aller Welt auf dem Platz der Republik, zwischen
Reichstagsgebäude und Kanzleramt. Einer von ihnen ist der 16 Jahre alte Nils aus Siegen.

Von Sebastian Deliga und Juliane Ziegler

Nils (2. v. l.) und seine Freunde auf dem Platz der Republik - Foto: Juliane Ziegler

Berlin ist nicht nur eine Ansammlung unterschiedlicher Kieze, sondern auch Bundeshauptstadt. So wird die Stadt vor
allem außerhalb Berlins wahrgenommen, auch von Nils. Der Platz der Republik vor dem Berliner Reichstagsgebäude steht
wie kein anderer für den Hauptstadtcharaker Berlins. Dort, wo 1990 die Deutsche Einheit gefeiert wurde, sonnen sich heute Jugendliche. Kein typischer Berliner Platz, sondern ein gesamtdeutscher öffentlicher Raum für alle.

Im Schatten der Mauer war der Platz der Republik ein Ort zum Grillen und Entspannen. Auch heute rasten hier viele im Gras, vor allem Jugendliche wie Nils, die keine Berliner sind, sondern auf der Durchreise, auf der Suche nach dem “Berlin-Gefühl” und den Eindrücken, die sie aus den Nachrichten kennen. Auch ihnen bietet Berlin einen Ort. Nils fühlt sich hier willkommen, sagt er. Und irgendwann könne er sich auch vorstellen, ganz in Berlin zu leben.

 

Zum Hören

Warum Nils den Platz der Republik gut findet und was er an Berlin so mag:

Berlin-Fan Nils (16) - Foto: Juliane Ziegler

 

 

 

 

 

 

 

13 Sep

Glücklich in der Passage

Bummeln, shoppen, quatschen: Das Gesundbrunnen-Center im Wedding ist ein beliebter Treffpunkt bei Jugendlichen. Die 15-Jährige Julide ist oft hier. Seit sie ein kleines Kind ist, kommt sie vorbei, früher noch mit den Eltern, heute mit Freunden.

Von Anne Bohlmann

 

Das "Center" gehört zu Julides Leben dazu. - Foto: Anne Bohlmann

Jeden Samstag fährt die Schülerin Julide ins Gesundbrunnen-Center und verbringt mehrere Stunden beim Bummeln. An diesem Samstag ist sie mit ihrem besten Freund und ihrer türkischen Austauschschülerin hier. Die will zusammen mit Gastschwester Julide ein letztes Mal in Berlin einkaufen, denn morgen fährt sie zurück nach Hause.

Die drei sitzen auf einer kleinen Holzbank ohne Lehne, direkt neben den Rolltreppen. Unbequem sieht das aus. An ihnen vorbei laufen Frauen mit Kopftuch und Kinderwagen, Mädchen mit tief ausgeschnittenen Tops, Jungs in weiten Hosen. Viele von ihnen kennt Julide, manche sogar richtig gut, wie ihren Cousin, der gerade vorbeischlendert. Julide springt auf und läuft zu ihm hin. Nach ein paar Minuten verabschieden sie sich wieder voneinander. Weiter gehts, jetzt noch zu H&M und McDonald’s – das gehört für Julide zu jedem Besuch im “Center”.

Zum Hören

Warum Julide gerne hierher kommt und wofür sie jede Woche 15 Euro ausgibt: