Du läufst durch die Stadt und die Stadt läuft an dir vorbei. Völlig in Gedanken werden Häuser und Fassaden zum Filmset deines Kopfkinos. Doch langsam holt dich ein rhythmisches Klicken ins Jetzt. Bäng – du hast den passenden Soundtrack gefunden. Vier Straßenmusiker in Berlin: Angucken, rausgehen, finden und dann Geld in den Hut!
Von Nadia Pantel und Wolf-Hendrik Müllenberg
„Die Beatles“ , seufzt Junichi, „die gehen immer.“ Nur leider hat er oft zu schlechte Laune um so launiges Zeug zu spielen. Leise Balladen mit depressiven Texten – da wird es schwer die Miete zu bezahlen. In Berlin allerdings immerhin noch machbarer als in New York und so hat der gebürtige Japaner vor ein paar Wochen mal wieder seine Koffer gepackt und ist von den USA nach Europa gezogen. „Es hilft, dass die Leute hier auf der Straße noch Bier trinken dürfen“, sagt er, „da bleiben sie dann auch mal länger stehen“. Heute vorm Fernsehturm steht Junichi jedoch recht alleine. „Das Setting hier ist wunderschön, aber es ist viel zu laut.“ – im Wettstreit mit Verkehrslärm und Brunnenplätschern kommt er langsam an die Grenzen seiner Stimme. Man muss schon nah ran gehen um Junichi gut zu hören. Doch dann spiegelt sich die Sonne im Bauch des Fernsehturms und sogar Junichi bekommt Lust auf Lennon: „Limitless undying love…” Huch, meint der mich? Naja, wahrscheinlich wieder nur Berlin. Schön ist es trotzdem.
Vladimir und Vladimir in der Burgstrasse
Vladimir und Vladimir geben sich bescheiden, „Uns reicht ein Name für zwei“. Seit zwei Monaten wohnen die beiden Russen in Berlin und verdienen ihr Geld mit Straßenmusik. Kennengelernt haben sie sich vor 18 Jahren an der Musikhochschule in Moskau. Und so klingen die zwei auch eher wie eine gediegene Dinnerband auf dem Kreuzfahrtdampfer und nicht wie vagabundierende Hippies mit Klampfe und Schellenkranz. Nach vier Songs packen die beiden ihr Zeug zusammen. Wo es als nächstes hingeht? Vladimir lächelt. „Nobody knows“. Sein Namensvetter zuckt mit den Schultern: „Der beste Ort ist immer da, wo wir nicht sind.“
Olli auf dem Kurfürstendamm
Olli hat sich an der Gedächtniskirche gut eingerichtet. Seit sechs Jahren macht er fast jeden Tag am Ku’damm Musik. Die Polizisten grüßen mittlerweile freundlich, der Crepesstand macht ihm ‚ ’nen Sonderpreis und so etwas wie eine Fanbase hat er auch. Jedenfalls sind es immer die gleichen Leute, die ihre Mittagspause damit verbringen ihm zuzuhören. Doch wichtiger als die vertraute Umgebung sind die Touristen, die in bunten Regenjacken über Berlins ehemaligen Prachtboulevard schlendern.
Los Lopez auf der Warschauer Brücke
Ivo, Mirko und Lopez nehmen die Sache mit der Straßenmusik ernst. Wo und wann genau die drei Mailänder als nächstes auftreten – das kann man auf Twitter mitverfolgen und auf Facebook werden ihre Gigs dokumentiert. „Morgen“, verkündet Ivo, „werden wir reich.“ Die drei werden ab sieben Uhr morgens beim S-Bahnhof Rathaus Steglitz Schlange stehen und sich eine der begehrten BVG-Lizenzen sichern. Dann dürfen sie ihren Verstärker im Bahnhof sogar ein bisschen aufdrehen – ohne mit der Polizei rechnen zu müssen. Als sie in der Samstagnacht auf der Oberbaumbrücke eine begeisterte Menschenmenge zum Tanzen brachten, dauerte es nicht lange bis der erste Streifenwagen anrückte.
„Wir sind halt auch laut“, sagt Lopez grinsend – und verteilt „Los Lopez“ Fan-Buttons an Passanten. Nur noch zwei Lieder, dann geht hinter der o2-Arena die Sonne unter und die Finger werden langsam zu kalt zum spielen. Doch bis es so weit ist gibt es noch soliden Funk und echte Hippie Texte: „Thanks to Ayawaska“. Eine Ode an die Lieblingsdroge jedes Backpackers auf Lateinamerika-Reise.